Stolpersteinverlegung am 21.09.2024: Familie Levy

Nahaufnahme der 4 Stolpersteine im Gehweg, in den oberen Ecken des Bildes sind weiße Rosen zu sehen.
Stolpersteine der Familie Levy, Fotograf: Stadt Forst (Lausitz), Bildrechte: Stadt Forst (Lausitz)

Standort: Max-Fritz-Hammer-Straße 15

Verlegung: 21.09.2024

Die Verlegung begann mit einer Gedenkveranstaltung in der Aula der Grundschule Mitte. Zur Veranstaltung reisten auch Erna Rita Devletian, geb Levy und weitere Familienmitglieder sowie Freunde der Familie Levi an.

Die Veranstaltung wurde durch die Bürgermeisterin Simone Taubenek eröffnet und es folgten unter anderem Redebeiträge von Pfarrer Simon Klaas sowie zwei Mitgliedern der Familie Levy. Begleitet wurde das Programm von musikalischen Darbietungen. Anschließend verlegte Künstler Gunter Demnig, der das Projekt Stolpersteine ins Leben gerufen hat, die Stolpersteine in den Gehweg vor der Grundschule. Ebenfalls beteilgten sich Schülerinnen und Schüler der Forster Gutenberg Oberschule sowie die Konfirmandengruppe der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Region Forst.


Wir danken Herrn Frank Heiber für die ausführliche Ausarbeitung der Geschichte der Familie Levy.


Mary und Gerhard Levi vor einem Holzzaun, beide schauen sich lächelnd an.
Mary und Gerhard Levy, Bildrechte: Erna Rita Devletian

Mary Schwarzhaupt wurde am 21. Dezember 1907, als Tochter des Bankiers Ignaz Schwarzhaupt und dessen Frau Selma, in Hamburg geboren.
Gerhard Alexander Levy wurde am 25. Januar 1898 als Sohn des Kaufmanns Baruch Max Levy und dessen Frau Recha in Cottbus geboren.

Mary und Gerhard heirateten am 15.01.1928 in München.

Bis ca. 1932 wohnten sie in Forst in der Schützenstraße 11 und zogen anschließend in die Kaiser-Wilhelm-Straße 15 (heutiger Standort der Grundschule Mitte).

Am 19. Oktober 1928 wurde die erste Tochter Ingeborg in Forst geboren. Am 06. Januar 1932 kam die zweite Tochter Erna Rita in Forst zur Welt.

 

Im Juni 1933 übernahm Gerhard gemeinsam mit seinem Bruder Ulrich die elterliche Firma und das Geschäft „Wolf Loewenstein Nachfolger“ Am Markt 2, an der Ecke Lindenstraße. Sein Vater hatte das Geschäft im Jahr 1882 vom Kaufmann Wolf Loewenstein übernommen und etablierte es als „Erstes Haus am Platze“.

Im Sommer 1938 konfrontierten die Nazis Gerhard mit Vorwürfen der „Rassenschande“. Sie schlossen das Kaufhaus, sperrten die Firmenkonten und setzen einen Abwesenheitspfleger und später Konkursverwalter ein.

Gerhard wurde vermutlich im September 1938 verhaftet. Es wurde ein Verfahren unter dem Vorwurf der „Rassenschade“ gegen ihn eingeleitet. Die Untersuchungshaft verbrachte er im Gefängnis in Guben und seine darauffolgende Gefängnisstrafe im Staatsgefängnis in Wohlau, etwa 50 km nordwestlich von Breslau.

Mary erhielt in dieser Zeit Unterstützung von der befreundeten Familie des jüdischen Arztes Dr. Hans Hesse.

In den frühen Nachmittagsstunden des 10.11.1938 wurde die Wohnung der Levys durch die SA (Sturmabteilung) und die GeStaPo (Geheime Staatspolizei) auf der Suche nach Waffen und anderen „Beweisen“ für das schändliche Handeln der Juden völlig zertrümmert. Beschlagnahmt wurden unter anderem persönliche und geschäftliche Papiere sowie Papiere der jüdischen Gemeinde.

In der Nacht zum 11.11.1938 floh Mary mit ihren beiden Töchtern nach Berlin. Dort kam sie sie bei ihrer Mutter Selma unter - bis zur deren Immigration in die USA im März 1941.

 

Mary plante nun die Ausreise ihrer Töchter Ingeborg und Rita, die mit dem Kindertransport der englischen Regierung am 25.07.1939 nach Birmingham (England) gebracht wurden. Dort wurden sie von den Familien Day und Hoverd aufgenommen, welche der Christadelphian-Gemeinde angehörten. Trotz der Trennung bestand weiterhin Kontakt zwischen den Schwerstern und auch per Post zur Mutter.

Anfang des Jahres 1941 wurde Gerhard vermutlich aus dem Gefängnis entlassen. Anschließend wurde er zum Reichsfeind erklärt und in das Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde überstellt, eine ehemalige jüdische Ausbildungsstätte, die zu einem Zwangsarbeits- und Deportationslager umfunktioniert war. Gerhard verstarb dort am 08.03.1942. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weissensee bestattet.

Mary wohnte inzwischen in Berlin-Charlottenburg in einer möblierten Kammer zur Untermiete und war zur Zwangsarbeit bei der Firma Siemens & Halske in Berlin-Siemensstadt und im dortigen Wernerwerk verpflichtet.

Ab Ende Januar 1943 lebte sie illegal in Berlin. Vermutlich wurde sie von Menschen, die sich im Widerstand befanden, versteckt.

 

Vermutlich Ende Juli 1943 wurde Mary in Berlin verhaftet. Sie musste ihre Vermögenserklärung abgeben und wurde mit dem 40. Osttransport am 4. August zusammen mit 99 weiteren jüdischen Deportierten nach Auschwitz gebracht. Die genauen Umstände ihres Todes sind nicht bekannt.

 

Ingeborg überlebte, wie ihre Schwester Rita, in England den Krieg, integrierte sich in der Christadelphian-Gemeinde und konvertierte später. Sie erhielt die britische Staatsbürgerschaft, heiratete 1956 John Beacham, bekam mit ihm drei Kinder. Sie verstarb 2022 in Großbritannien.

 

Als Rita 15 Jahre alt war, verließ sie ihre Pflegefamilie und reiste in die USA. Sie hoffte, ihre Mutter dort zu finden, wo ihre Großmutter Selma, weitere Familienmitglieder sowie ehemalige Freunde der Familie lebten. Im Mount Sinai-Hospital in New York absolvierte Rita eine Ausbildung diplomierten Krankenschwester. Sie heiratete und bekam ebenfalls drei Kinder.

Familienmitglieder

Gerhardt Levy sitzt mit dem Rücken nach links vor einem Holzzaun. Das Bild ist schwarzweiß.

 

Gerhard Levy

Jahrgang 1898
verhaftet 1938
Zwangsarbeit 1941
Landwerk Neuendorf
Tod 08.03.1942

Mary Levy sitzt mit dem Rücken nach rechts vor einem Zaun, sie lächelt. Das Bild ist schwarzweiß.

  

Mary Levy

geborene Schwarzhaupt
Jahrgang 1907
deportiert 1943
Auschwitz
ermordet

Ingeborg Levy als Kind in 1939

 

Ingerborg Levy

verheiratet Beacham
Jahrgang 1928
Kindertransport 1939
England

Rita Levy als Kind in 1939

 

Erna Rita Levy

verheiratet  Devletian
Jahrgang 1932
Kindertransport 1939
England

Bilder von der Veranstaltung