Auf den Spuren des Grafen Brühl
Der Graf Brühl Radrundweg widmet sich einer der einflussreichsten Figuren im Europa des 18. Jahrhunderts. Die „Brühlschen Terrassen“ im Elbflorenz Dresden künden ebenso das ehemalige „Brühl‘sche“ Palais in Warschau von seiner historischen Bedeutung.
Nirgends ist Heinrich Graf von Brühl in Zeitzeugnissen und Geschichten so gut zu erleben wie in seiner einstigen Herrschaft Forst und Pförten, dem heutigen Brody. Der dortige, ehemalige Herrschaftssitz der Grafenfamilie verströmt als Schlossruine heute einen romantischen Charme, eingebettet in eine urige, ursprüngliche Parklandschaft.
Den Grafen selbst kann man in der Rosenstadt Forst (Lausitz) noch in seiner Gruft besuchen, in der Nähe auf seinem einstigen Gut nachspüren – und diese und weitere Stationen auf einem authentischen, naturnahen Radrundweg durch endlose Wälder auf polnischer Seite und auf der Deichkrone entlang der Neiße auf deutscher Seite erleben.
Stationen der Themenroute zwischen Forst (Lausitz) und Brody (Pförten)
Als Heinrich Graf Brühl 1746 Stadtherr von Forst wurde, zählte der Ort rund 250 Häuser und etwa 1.600 Bewohner. Nachdem die Stadt samt Kirche bei einem großen Brand im Jahr 1748 bis auf die Grundmauern zerstört wurde, ließ Brühl auf den mittelalterlichen Grundrissen eine barocke, schöne Landstadt im Stil des sächsischen Rokoko errichten. Die Stadtkirche St. Nikolai ist Wahrzeichen und heute Brühls letzte Ruhestätte.
Die „Brühlsche“ Kirche
Der Wiederaufbau der Kirche durch den Dresdner Architekten Knöffel erfolgte getreu der mittelalterlichen Grundstruktur. Die Historie der Kirche reicht bis zur Grundsteinlegung Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Sie wurde insgesamt fünf Mal durch Brände zerstört, bis Knöffel Turm, Fassade, Dach, Treppenhäuser und Emporen neu errichtet. Zu Ostern 1752 wurde sie mit einem Gottesdienst eingeweiht. 1763 wurde Graf Heinrich von Brühl im Rahmen einer bescheidenen, nächtlichen Zeremonie beigesetzt. Brühls Sarg war in der damaligen Taufkapelle der Familie von Bieberstein unter der Bonhoeffer Kapelle der Stadtkirche St. Nikolai aufgestellt. 2012 wurde der Sarg restauriert und ein Jahr später in der sanierten Gruft für Besucher zugänglich gemacht.
St. Nikolai heute
Die Kirche wurde zum Ende des 2. Weltkriegs im Februar 1945 ein weiteres Mal komplett zerstört. Der Wiederaufbau und die Restaurierung einzelner Bereiche zogen sich von 1951 bis 2013 hin. Heute lädt die Kirche mit hellgelbem Anstrich in einen lichten Altarraum mit einem Vorhang aus 140 Glasquadraten und einem schwebenden, goldenen Tuch ein. Die Eule-Orgel mit 18 Registern entfaltet durch die Form und besondere Akustik des Kirchenschiffes eine beeindruckende Klangvielfalt. Die Glocken „Glaube“, „Hoffnung“ und „Liebe“ lassen ihre gewaltigen Stimmen zum werktäglichen Geläut mit jeweils zwei Glocken um 7.30 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr erklingen.
Die Dauerausstellung
Eine Dauerausstellung in der Kirche gibt Antwort, warum Graf Brühl in einer „fremden“ Gruft und nicht samt angemessenem Erbbegräbnis auf seinem Familienstammsitz in Pförten beigesetzt wurde. Die Ausstellung präsentiert zudem originale Objekte und Zeitzeugnisse aus der Brühlschen Regierungszeit Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht ein 10-minütiger Film über Heinrich von Brühl, der eigens für die Forster Ausstellung entstand. Er ist in der Bonhoeffer-Kapelle direkt über der letzten Ruhestätte des Grafen zu sehen. Die Gruft wurde 2013 restauriert und ist über einen Zugang aus dem Kirchenraum erreichbar. Es lohnt sich, den Kirchturm zu besteigen, da dessen Aussichtsplattform auf dem umlaufenden Geländer einen herrlichen Panoramablick für Fotos sowie Informationen der Orte und Denkmale in der Umgebung liefert.
STADTKIRCHE ST. NIKOLAI
Am Markt 1, 03149 Forst (Lausitz)
geöffnet April bis Oktober sowie auf Anfrage
Telefon: +49 3562 7255
Eintritt frei
Der Forster Marktplatz war einst Mittelpunkt des historischen Stadtkerns und komplett um die Stadtkirche St. Nikolai gebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Platz samt Bauwerken fast vollständig zerstört.
Heute erinnert ein Hain aus 40 geschnittenen Platanen an den Standort des ehemaligen Rathauses im Osten des Platzes. Mit vielen Sitzgelegenheiten und Fahrradanlehnbügeln lädt der Platz zur kleinen Tourenpause – von einer Brunnenanlage mit langgestreckten Bänken hat man einen schönen Blick auf die wiedererbaute Stadtkirche.
80 Meter weiter befinden sich in der Promenade Infotafeln. Ergänzend zur Dauerausstellung in der Stadtkirche schildern sie Hintergründe zur Brühlschen Familie in der Stadt und der Region. Heinrich Graf von Brühl gab der Stadt vor allem entlang der Durchfahrtstraße des Königs ein neues Gesicht, förderte Wirtschaft und Gewerbe. Die Gründung der Tuchmanufaktur im Jahr 1744 in einem der drei damaligen Schlösser der Stadt war wegweisend für das kommende Jahrhundert. Sie war die Keimzelle der später deutschlandweit führenden Textilindustrie im „Manchester des Ostens“.
PROMENADE
Promenade Ecke Cottbuser Straße,
03149 Forst (Lausitz)
Rund 4,5 Kilometer nordöstlich vom Forster Stadtzentrum liegt mit dem heutigen Gut Neu Sacro ein ehemals Brühlsches Gut mit bewegter Geschichte, die noch vor Brühls Ära spielt. Reichlich die Hälfte der einst 70 Dörfer im Bereich der Herrschaft Forst-Pförten gehörten dem Standesherren.
Zwischen Neu Sacro und Mulknitz befindet sich bis heute das sagenumwobene Waldstück „Mückenhain“. Im 16. Jahrhundert hatten hier die von Rothes, vermutlich als Vasallen der Biebersteiner, ihren Sitz. Da das umliegende, sumpfige und sandige Landstück wenig Ertrag abwarf, verlegte sich Nickel von Rothe auf die Raubritterei. Fern von Forst, in Schlesien und der Oberlausitz, überfiel er Kaufleute und raubte ihre Wagen aus – und wurde schließlich in Breslau hingerichtet.
Im Mückenhain sind heute keine Spuren einer adligen Wohnanlage mehr zu finden, aber das Vorwerk Mückenhain der von Rothes gelangte später in herrschaftlichen Besitz, wurde zum Brühlschen Gut und 1842 mit umliegenden Ländereien zu einem Vorwerk mit über 170 ha Land neu geordnet.
Das Gut Neu Sacro, knapp einen Kilometer vom einstigen Ritternest entfernt, ist heute ein Erlebnishof mit Landwirtschaft zum Anfassen, samt Gastronomie und Hofladen.
GUT NEU SACRO
Neu Sacro 13, 03149 Forst (Lausitz)
Telefon: +49 3562 69105220
Die Naundorfer Kirche wurde im 14. Jahrhundert aus Feldsteinen errichtet und erhielt später einen separaten Kirchturm, der über einen schmalen Gang mit dem Kirchenschiff verbunden ist. Eine besondere Geschichte verbindet die Familie von Brühl und die Naundorfer Stahlglocken.
Die Mindener Orgel
Die Orgel der Kirche, die 1902 vom Orgelbauer Wilhelm Kummer aus Minden erworben wurde, ist mit ihrem seitlich angebrachten Spieltisch eine Rarität in der Niederlausitz. Kirchen-Patron Graf Brühl trug mit 50 Mark den größten Anteil zu ihrer Anschaffung. Betritt man das Kirchenschiff der Naundorfer Kirche, entdeckt man gleich links an der Wand das Verzeichnis aller Spender.
Die Stahlglocken
Im Jahr 1917 verlor die Kirche ihre aus dem 18. Jahrhundert stammenden Bronzeglocken an die Kriegswirtschaft. Sie wurden durch günstige Eisenhartgussglocken ersetzt. Patron und Pastor der Kirche sind per Inschrift PATRONAT GRAF BRÜHL PASTOR WERNER GROSS 1917 noch heute deutlich auf den Glocken abzulesen. In den 1980er- Jahren wurden sie durch Bronzeglocken aus der vom Braunkohletagebau devastierten Kirche in Weißagk ersetzt und vor der Kirche ausgestellt.
Den Schlüssel zur Kirche hat Familie Lange in Naundorf, die man unter Telefon +49 3569 6343 gern um eine kleine Besichtigung bitten darf.
STAHLGLOCKEN NAUNDORF
Naundorfer Landstraße 16, Forst (Lausitz)
1913 ursprünglich als einmalige Rosen- und Gartenbauausstellung geplant, zählt der Ostdeutsche Rosengarten Forst (Lausitz) heute zu Deutschlands schönsten Parks. Der besondere Reiz des 17 Hektar umfassenden Naturparadieses besteht im Zusammenspiel aus Gartenkunst, Landschaftsarchitektur und botanischer Vielfalt.
Die Brühlschen Rosen
Anlässlich der deutschen Rosenschau 2013 und des Gedenkjahres zum 250. Todestag des sächsischen Premierministers Heinrich Graf von Brühl wurden die Rosen »Graf Brühl« und »Gräfin von Brühl« als Jubiläumszüchtungen im Ostdeutschen Rosengarten getauft. Zu bewundern sind diese Rosen in den Jubiläumsbeeten im Neuheitengarten des Rosenparks.
Der Brühlsche Kaskadenbrunnen
Der imposante Kaskadenbrunnen im Neuheitengarten war eines der Prunkstücke zur Ausstellung im Jahr 1913. Der Originalbrunnen wechselte nach der Ausstellung auf die Schlosswiese nach Pförten, wo heute nur noch Überreste erhalten sind. 2013, zum hundertjährigen Jubiläum erhielt der Rosengarten einen neuen Brunnen nach altem Vorbild.
OSTDEUTSCHER ROSENGARTEN
Wehrinselstraße 42, 03149 Forst (Lausitz)
Rosenpark Mai-Sept 9-19 Uhr eintrittspflichtig, Okt-Apr 9-17 Uhr eintrittsfrei,
Wehrinselpark & Reisigwehrinsel ganzjährig eintrittsfrei
Die Besitzungen der Brühls umfassten einst ca. 15.500 Hektar Waldgebiete beiderseits der Neiße, die von 45 Förstern bzw. Jägern und 20 Waldarbeitern bewirtschaftetet wurden. Sie waren Einnahmequelle durch den Holzverkauf, vor allem aber Aushängeschild für Jagdveranstaltungen. Um dem polnischen König August der III. und Kurfürst von Sachsen zu imponieren, ließ von Brühl in den 1740er-Jahren einen der größten Jagdsterne der damaligen Zeit anlegen. Jagdsterne vereinfachten mit ihren radial angelegten Schneisen die damals dem Zeitgeist entsprechende Parforcejagd. Die Schneisen des Pförtener Sterns zwischen Forst und Tuplice sind bis heute erhalten, der Stern ist auf Google Maps gut zu erkennen.
Von der Lichtung im Zentrum des Sterns zweigen acht Alleen ab, die per Rad teils passabel befahrbar sind. Die Forster Allee ist auf den etwa 8,5 km entfernten Turm der Forster Stadtkirche ausgerichtet, den man einst vom Stern aus sehen konnte. Auf der Lichtung standen ein architektonisch einzigartiges Jagdhaus, ein Forsthaus und Nebengebäude. Hier fanden Jagdgesellschaften ihr stimmungsvolles Ende. Seinerzeit fuhr sogar eine Waldeisenbahn hierher.
Der Brühlsche „Tiergarten“ samt weißem Hirsch machte den Jagdstern zum beliebten Ausflugsziel für die Forster Bevölkerung. Heute finden geübte Augen noch einige Mauerreste sowie Scherben und rund 100 m östlich des Sterns einen alten Brunnen.
weiterführende Informationen:
Als Brühl 1740 die Herrschaft Pförten erwarb, ließ er Schloss und Park durch seinen Architekten Johann Christoph Knöffel neu gestalten und ordnete das Örtchen neu, das seitdem die Schlossachse aufnimmt. Einst gab es drei Stadttore – sie führten nach Forst, Guben und Sommerfeld.
Das Forster Tor ist als einziges erhalten. Seine Architektur und die strenge Symmetrie erinnern an einen Triumphbogen. Einst waren an das Tor das Schreiberund das Wärterhaus angeschlossen, bis 1884 war es zudem Zollstation. 1931 wurden die Anbauten durch zusätzliche Durchgänge ersetzt.
Das 2020 frisch und originalgetreu sanierte Forster Tor bildet heute den repräsentativen Eingang zur barocken Stadtanlage von Pförten, dem heutigen polnischen Brody.
Bevor man die Schloss- und Parkanlage erreicht, lohnt ein Blick auf das gegenwärtige Ensemble des Ortes. Trotz zahlreicher Verluste und mancher Umgestaltungen wurde insgesamt der ursprüngliche Charakter einer Schloss- und Stadtanlage bewahrt. Nach der 2018 abgeschlossenen Rekonstruktion der drei Straßen im Zentrum kommt der authentische Charakter des Ortes umso mehr zur Geltung.
FORSTER TOR
Wolności Straße, 68-343 Brody
Pförten wurde 1389 erstmals urkundlich erwähnt und war Sitz vieler Adelsgeschlechter. Graf Heinrich von Brühl erwarb das Lehngut 1740 für 160.000 Taler. Sein Architekt Knöffel baute es zu einem üppigen Anwesen mit zwei Kavalierhäusern aus – außergewöhnlich groß dimensioniert, mit Wasserspielen, Heckentheater und Orangerie samt Theatersaal.
Die Perle der Niederlausitz
Pförten war eine der größten Residenzen der Lausitz und galt mit seiner weitläufigen Gartenanlage als „Perle der Niederlausitz“. Mit symmetrischen Achsen, verschlungenen Wegen, großen Lichtungen und Uferpromenaden rund um den See folgte sie dem Vorbild europäischer Landschaftsgärten. Der einzigartige Pflanzenreichtum prägt den Park noch immer. Die einst 3 Kilometer lange, prachtvolle Landschaftsgestaltung begeistert Gäste heute mit einer teils verwilderten Schönheit. Bereits restauriert wurde mit dem großen Steinsarkophag im sogenannten Kleinen Park ein besonderes Freundschaftsdenkmal aus dem 18. Jahrhundert, das Graf Alois Friedrich von Brühl zwei Wegbegleitern widmete. Der malerisch gelegene Parksee mit einer Fläche von 53 Hektar ist vermutlich der erhalten gebliebene südlichste Gletscherrandsee der letzten Eiszeit.
Lost Place mit Charme
1758 brannte Friedrich der Große nach der Besetzung Sachsens das Schloss seines wichtigsten politischen Gegenspielers nieder. Die Brühls lebten fortan in den Kavaliershäusern, sanierten das Schloss schließlich – bevor es im Februar 1945 abermals ausbrannte. Die Ruine mit besonderem Charme ist heute mit neuem Dach vor weiterem Verfall gesichert. Der Wiederaufbau im Inneren hat begonnen. In einem der Kavaliershäuser lädt das Hotel und Restaurant Schloss Brody in stilvolle Räume. Ein ausgeschilderter Rundweg durch den Schlosspark und den Ort lädt zur Erkundung ein.
SCHLOSSPARK BRODY
Pl. Zamkowy 9, PL-68-343
Brody Park ganzjährig geöffnet und eintrittsfrei
In Luftlinie rund 4,5 km vom Schlosspark entfernt, auf halber Strecke und am kleinen Waldstück zwischen Koło und Biecz, befindet sich das Grafenkreuz.
Es geht auf Friedrich August Graf von Brühl zurück, nach Heinrich und Alois dritter brühlscher Standesherr auf Pförten. Jener ritt im Mai 1856 hier zur Inspektion der Felder und verunglückte mit seinem Pferd. Ein Schäfer fand den schwer verletzten Grafen und brachte ihn auf dem Karren in das Schloss Pförten, wo er kurz darauf an den Unfallfolgen verstarb.
Die Familie von Brühl ließ in Erinnerung an dieses Unglück einen großen Findling an die Unglücksstelle transportieren und ein Metallkreuz darauf befestigen. Zugewuchert und seines Schmuckes beraubt, geriet das Grafenkreuz in Vergessenheit und wurde erst im Frühjahr 2016 freigelegt und um ein neues Metallkreuz nach Vorbild des Originals ergänzt.
Ein zweisprachiges Schild informiert nun über die Geschichte des verunfallten Reichsgrafen.